Wir Jungen Alten starten durch

Juli 2021: Die 35jährige Caritas-Einrichtung "Wir Jungen Alten" an der Frankfurter Straße 207 öffnet wieder. Die ‚Ruhe‘ im Lockdown hat neue Ideen entstehen lassen.

Wir Jungen Alten starten durch

„Die Sehnsucht nach Begegnung und Nähe ist riesig.“ sagt Patricia Deisel, die zusammen mit Peter Freund die Caritas-Einrichtung „Wir Jungen Alten“ leitet. Umso glücklicher sind die beiden, dass das sonnengelbe Haus mit den vergissmeinnicht-blauen Fensterläden an der Frankfurter Straße 207 in Kassel nach der langen coronabedingten Pause jetzt wieder öffnen kann. In die Holzwerkstatt ist schon wieder Leben eingekehrt. Die anderen Kreativ-Werkstätten und die Gruppe „Nadel & Faden“ starten in diesen Tagen. Die Teilnehmenden von „Selbstständig im Alter“ kommen ab 12. Juli wieder ins Haus oder wenn das Wetter es erlaubt in den Außenbereich, wo ein großes Zelt steht, und in den Garten. Für alles gilt natürlich ein verbindliches Hygienekonzept zum Schutz der Beteiligten.

Kontakt

Für alle, die Fragen zu „Wir Jungen Alten“ haben oder gern einmal vorbeikommen möchten, sind Patricia Deisel und Peter Freund die richtigen Ansprechpartner/in:

Wir Jungen Alten - Caritas
Frankfurter Str. 207
34134 Kassel
Tel.: 0561 / 47 18 52
E-Mail: wja@caritas-kassel.de
Internet: Wir Jungen Alten
 

Corona Call Center

Patricia Deisel vor den bunten Stofftaschen,
die die Gruppe „Nadel und Faden“ anfertigt.

„In den Corona-Wochen waren wir ein kleines Call-Center“, erzählt Sozialpädagogin Deisel: „Wir riefen unsere Leute an, fragten, wie es geht, ob sie Hilfe durch ihre Angehörige bekommen oder wir Hilfe bieten können. Uns ist wichtig zu wissen, ob sie Kontakt zu ihren Gruppenmitgliedern pflegen und natürlich auch, wie sie durch die Pandemie kommen.“ Mit Hausbesuchen versuchte Patricia Deisel in Kontakt zu bleiben, wenn sie den Eindruck hatte, dass Telefonate nicht ausreichen. Auch Einzelgespräche in der Einrichtung bot sie an. „Es ist beeindruckend, mit welcher Disziplin Seniorinnen und Senioren durch Krisensituationen gehen. Aber es gibt auch viele, die in Lethargie oder gar depressive Stimmungen fallen.“ Deisel ist gespannt, ob alle die Verbindung zu den „Wir jungen Alten“ gehalten haben.

 

Mitgestalten und mit anpacken

„Am schönsten ist es, wenn unsere Teilnehmerinnen und Teilnehmer da sind und wir zusammen etwas Gutes aus Holz hinbekommen.“ sagt Holzwerkstattleiter Peter Freund. Das Repertoire ist vielfältig: Kleine Spielzeuge, Dekorationsmittel, Kunsthandwerk, Produkte für Garten und Tierreich, Wohnraumanpassungen für Senioren/innen und Arbeiten für den Eigenbedarf. „Unsere Teilnehmenden gestalten und packen mit an. Ob sie zuvor mit Holz gearbeitet oder Erfahrung hatten, spielt dabei keine Rolle.“ Schreiner Peter Freund hilft mit seinem Fachwissen.

Holzwerkstattleiter Peter Freund unter Corona-Bedingungen, Frühjahr 2021.

 

Schönes zum Verschenken
Die Holzwerkstatt ist nur einer von vielen kreativen Bereichen, die bei den „Jungen Alten“ angeboten werden. Arbeiten mit textilen Stoffen und vielen anderen Materialen sind in den anderen Kreativ-Werkstätten möglich. Oft entstehen Dinge zum Verschenken: Patchworkarbeiten, Spielsachen, Filzpantoffel, bunte Stofftaschen. Alles ist in einem kleinen aber feinen Hausladen käuflich zu erwerben. Eine Gruppe heißt passend „Nadel & Faden“, für Leiterin Deisel ein gutes Beispiel, wie die Jungen Alten mit anderen Einrichtungen kooperieren. So hat „Nadel & Faden“ Wimpel und Masken für die Fachkoordination Älterwerden in Niederzwehren (FÄN) genäht und engagiert sich seit Jahren für das Brustkrebszentrum des Elisabethkrankenhauses am Weinberg. Dafür fertigt „Nadel & Faden“ weiche „Herzkissen“, die die Patientinnen vor der Operation als Trost-Geschenk erhalten und mit denen sie nach der OP eine schonende Körperhaltung einnehmen können. „Außerdem näht Nadel & Faden die schönsten Arzneitaschen“, zeigt Patricia Deisel stolz auf das farbenprächtige Sortiment: „Ich bin sehr dankbar für das ehrenamtliche Engagement, das nicht nur das Team von ‚Nadel & Faden‘, sondern so viele unserer ‚Jungen Alten‘ zeigen!“

Modische Mützen - nur eines von vielen schönen, handgefertigten
Dingen, die die Jungen Alten anbieten.

 

Ins Gespräch kommen
Neben der Kreativität spielen die Gespräche im Haus der Jungen Alten eine große Rolle. „In den Gruppengesprächen werden alle Themen diskutiert, die gerade aktuell sind oder immer schon wichtig waren: das Verhältnis zwischen Jung und Alt, die Lebenskunst und kreative Kunst, Politik, Migration, Alt werden.“ sagt Patricia Deisel, die jedem, der Bedarf hat, auch Einzelgespräche zu persönlichen Fragen anbietet – Beratung inklusive. Und wer seine körperliche und geistige Beweglichkeit trainieren und erweitern will, für den gibt es bei „Wir Jungen Alten“ – jedenfalls in lockdownfreien Zeiten – die Möglichkeit, einen achtteiligen Yoga-Kurs zu belegen.

Für Menschen ab 50 in Umbruchsituationen
„Wir Jungen Alten“ ist eigentlich ein Treffpunkt für Menschen ab 50, die sich in einer Umbruchphase befinden. Manche sind von langer Arbeitslosigkeit belastet, andere sehen mit Sorge auf ihren Ruhestand, weil sie nicht genau wissen, was sie tun wollen. Auch dass die Kinder einen nicht wirklich mehr brauchen, ist für einige eine große Herausforderung: Was ist denn jetzt meine Aufgabe? Mit all diesen Fragen sind die Menschen ab 50 gut bei den „Wir Jungen Alten“ aufgehoben. Doch die 35 Jahre, die das Caritas-Angebot jetzt schon für die „Wir jungen Alten“ an Unterstützung, Kreativ-Werkstätten, Hilfe zur Selbsthilfe und Begegnung anbietet, haben ihre Spuren hinterlassen. „Das Durchschnittsalter der Teilnehmenden beträgt 76“, berichtet Patricia Deisel, „da sind ganz andere Fragen wichtig geworden als die, mit denen die Jungen Alten 1986 starteten.“

Ideen für die nahe Zukunft
Patricia Deisel will Angebote für Kinder und Familien entwickeln und damit auch ganz unterschiedliche Generationen ins Haus einladen. „Es wäre schön, wenn es uns gelänge, all die guten Geister zu wecken, die bei den Jungen Alten herumschwirren.“ Ein lebendiger Austausch von Talenten und Ideen schwebt ihr vor, neue Themen-Werkstätten gemeinsam entwickeln oder auch gemeinschaftliche Antworten auf die moderne Frage nach den Ressourcen finden, hält Deisel für eine spannende Vorstellung: „Jede und jeder bringt die Ressourcen ein, die ihr/ihm zur Verfügung stehen, und profitiert von den Ressourcen, die andere dazutun.“ Patricia Deisel träumt außerdem davon, ein einfaches Mittagessen anbieten zu können: „zusammen essen stiftet Beziehungen“. Sie kann kaum abwarten, dass es wieder losgeht.

Für die Schöpfung
Der Garten wurde natürlich auch in den Corona-Monaten gepflegt. Das haben sich zwei Teilnehmerinnen zur ehrenamtlichen Aufgabe gemacht. Der Sommer ist da, die Blütenpflanzen brauchen die ganze Aufmerksamkeit der beiden. „Zur Schöpfung haben die Jungen Alten sowieso eine besondere Beziehung“, berichtet Patricia Deisel, die „passenderweise“ wie sie lachend anmerkt, im ersten Beruf Floristin ist: „Die Jungen Alten hatten von Beginn an einen Stand auf Kassels berühmtem Tag der Erde, um zu zeigen, was sie an Kreativität und Lebenslust so drauf haben!“ In diesem April konnte der Tag der Erde das zweite Mal hintereinander coronabedingt nicht stattfinden, aber die Jungen Alten hatten aus Clematis und alten Holzlatten ein florales Kunstwerk gebaut, das mit Insektenhotels bestückt vor dem Haus an der Frankfurter Straße 207 für den Tag der Erde ein unübersehbares Zeichen setzte. „Für uns ist das auch ein Zeichen unseres Ideenreichtums und unserer Gestaltungskraft“, freut sich Patricia Deisel gemeinsam mit Peter Freund auf die Zeit des Wandels, wenn die Jungen und die Alten jetzt wieder im Haus an Kassels Frankfurter Straße 207 zusammenkommen.

Für die Jungen Alten ist Peter Freunds Hund aus der Holzwerkstatt nicht wegzudenken.

Die „Jungen Alten“ sind in einem schönen sonnengelben Haus mit vergissmeinnicht-blauen Fensterläden zu Hause.

Text und Fotos: Christoph Baumanns

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